Zwischen Schutz und Wahrheit: Altersgerechte Gespräche über Gewalt und Trauma
Wenn in den Nachrichten von Gewalt, Amokläufen oder Katastrophen die Rede ist, stellen sich viele Eltern, Lehrer:innen und Betreuungspersonen dieselbe schwierige Frage:
Wie spreche ich mit meinem Kind darüber – ohne es zu überfordern?
Kinder haben feine Antennen. Sie spüren, wenn etwas nicht stimmt, auch wenn niemand offen spricht. Gerade deshalb ist es wichtig, Wege zu finden, ehrlich, aber altersgerecht über belastende Ereignisse zu sprechen.
Nicht was wir erleben, sondern wie wir es empfinden, macht unser Schicksal aus.
(Marie von Ebner Eschenbach)
Warum Kinder Informationen brauchen – und nicht Verdrängung
Auch wenn wir Kinder vor der Realität schützen möchten, gilt:
Was sie nicht verstehen dürfen, denken sie sich selbst zusammen.
Wenn ihnen niemand erklärt, was passiert ist, füllen Kinder die Lücken mit eigenen Fantasien – oft schlimmer als die Realität. Das kann zu Angst, Schuldgefühlen oder Verunsicherung führen.
Kleine Kinder brauchen vor allem Sicherheit.
Größere Kinder brauchen zusätzlich Verständnis und Einordnung.
Was Kinder je nach Alter verstehen – und brauchen
3–6 Jahre:
- Denken oft noch magisch („Ich war böse, deshalb ist etwas Schlimmes passiert“)
- Kurze, klare, beruhigende Sätze sind hier wichtig
- Fokus auf: „Du bist in Sicherheit. Die Erwachsenen kümmern sich.“
Beispiel: „Es war etwas sehr Trauriges. Manche Menschen wurden verletzt. Aber du bist hier sicher, und wir sind für dich da.“
7–10 Jahre:
- Beginnen Ursache und Wirkung zu verstehen, stellen viele Fragen
- Möchten wissen: „Warum passiert so etwas?“
- Wichtig: Ehrlichkeit, aber keine Details, die Angst machen
Beispiel: „Manchmal machen Menschen schlimme Dinge, weil sie innerlich sehr durcheinander oder verletzt sind. Es war nicht deine Schuld.“
11 Jahre und älter:
- Verstehen Zusammenhänge, suchen Erklärungen, oft über Medien
- Möchten ernst genommen werden
- Wichtig: Austausch, Raum für Gefühle, ohne Überwältigung
Frage statt Aussage: „Wie hast du das erlebt? Was hat dich beschäftigt?“
Was du als Elternteil tun kannst
1. Zuhören, nicht nur erklären
Statt sofort alles „richtigzustellen“, frage dein Kind, was es schon weiß und wie es sich dabei fühlt.
2. Sicherheit vermitteln – emotional und konkret
„Wir sind hier, und wir kümmern uns.“ Dieser Satz ist oft wichtiger als jede Erklärung.
3. Begrenzen, was belastet
Kindgerechte Medien, keine Schockbilder. Du darfst die Inhalte dosieren – das ist kein „Verheimlichen“, sondern Fürsorge.
4. Gefühle benennen
Kinder brauchen Worte für das, was sie fühlen. „Du bist traurig/wütend/verwirrt – das ist okay.“
5. Eigene Überforderung erkennen
Wenn du selbst schockiert bist: Atme durch, hol dir Unterstützung. Kinder spüren emotionale Spannungen – auch unausgesprochen.
Wann professionelle Hilfe wichtig ist
In vielen Fällen reicht ein gutes Gespräch. Aber manchmal zeigen Kinder Reaktionen, die länger anhalten oder intensiver werden:
- Albträume, Schlafstörungen
- Rückzug, ungewöhnliche Aggressivität
- Einnässen, Konzentrationsprobleme
- Starke Schuldgefühle oder Angst vor Alltagssituationen
Dann kann psychotherapeutische Unterstützung helfen, das Erlebte zu verarbeiten – spieltherapeutisch, kreativ, behutsam.
Therapie bietet Raum – nicht nur Worte
In meiner Praxis unterstütze ich Eltern dabei, einfühlsam, altersgerecht und stabilisierend mit ihren Kindern über schwierige Themen wie Gewalt, Verlust oder Trauma zu sprechen und das Unfassbare ein Stück weit fassbar zu machen.
Nicht durch „harte Wahrheiten“, sondern durch verstehbare, mitfühlende Begleitung. Gemeinsam finden wir den Ton, der zu euch passt – zwischen Schutz und Wahrheit.
Wenn du das Gefühl hast, dein Kind kämpft innerlich, unterstütze ich dich dabei, einen liebevollen und sicheren Weg für eure Gespräche zu finden. Hier kannst du Kontakt aufnehmen
Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellungen, die wir von ihnen haben.
(Epiktet)